In diesem Artikel der Kanzlei am Südstern aus Berlin erfahren Sie, warum eine schwangere Arbeitnehmerin ihre Kündigung auch nach Ablauf der üblichen Dreiwochenfrist noch erfolgreich angreifen konnte. Der Fall, über den das Bundesarbeitsgericht am 03.04.2025 (Az. 2 AZR 156/24) entschieden hat, zeigt: Entscheidend ist, ab wann die Betroffene sicher weiß, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger war.
Von der Kündigung zum Arzttermin
Die Klägerin arbeitete seit Dezember 2012 bei ihrer Arbeitgeberin. Am 13. Mai 2022 erhielt sie die ordentliche Kündigung, die ihr am 14. Mai 2022 zuging, das Arbeitsverhältnis sollte zum 30. Juni 2022 enden. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie nicht, dass sie schwanger war.
Rund zwei Wochen später, am 29. Mai 2022, machte sie zuhause einen Schwangerschaftstest. Der Test war positiv. Sie informierte ihre Arbeitgeberin noch am selben Tag per E‑Mail und versuchte sofort, einen Termin bei ihrer Frauenärztin zu bekommen. Wegen der vollen Sprechstunden erhielt sie erst einen Termin für den 17. Juni 2022.
Die Dreiwochenfrist für eine Kündigungsschutzklage war zu diesem Zeitpunkt bereits sehr knapp. Die Arbeitnehmerin reichte daher am 13. Juni 2022, also nach Ablauf der Dreiwochenfrist, Klage beim Arbeitsgericht ein und stellte zugleich den Antrag, die verspätete Klage nachträglich zuzulassen. Ihr Ziel: feststellen zu lassen, dass die Kündigung unwirksam ist, weil für Schwangere ein besonderer Kündigungsschutz gilt. Nach dem Arzttermin reichte sie am 21. Juni 2022 ein ärztliches Attest nach, das eine bestehende Schwangerschaft bestätigte. Der Mutterpass wies einen voraussichtlichen Geburtstermin Anfang Februar 2023 aus. Rückgerechnet ergab sich ein Beginn der Schwangerschaft Ende April 2022. Damit stand fest, dass sie bereits bei Zugang der Kündigung schwanger war.
Die Arbeitgeberin hielt die Klage für verspätet. Ihre Argumentation: Mit dem positiven Schwangerschaftstest habe die Arbeitnehmerin innerhalb der laufenden Dreiwochenfrist genug gewusst. Hätte sie rechtzeitig Klage erhoben, wäre alles in Ordnung gewesen. Eine nachträgliche Zulassung sei deshalb nicht möglich. Die Klägerin sah das anders. Sie meinte, sichere Kenntnis habe sie erst nach der ärztlichen Untersuchung. Den Arzttermin habe sie nicht schneller bekommen können.
Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht bekam die Frau Recht. Die Arbeitgeberin legte Revision ein, weswegen der Fall vom Bundesarbeitsgericht behandelt wurde. Kern des Streits war die Frage, wann die Betroffene rechtlich gesicherte Kenntnis von einer Schwangerschaft hat und ab welchem Zeitpunkt Fristen für die nachträgliche Klagezulassung laufen. Für die Klägerin ging es ganz praktisch darum, ob sie trotz der verpassten Dreiwochenfrist noch Schutz erhält. Für die Arbeitgeberin ging es darum, ob der positive Selbsttest ausreicht, um die spätere Klage abzuschneiden.
Erst der Arzt bestätigt die Schwangerschaft
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und erklärte die Kündigung für unwirksam. Begründung: Für schwangere Frauen gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Wird dennoch gekündigt, ist diese Kündigung in der Regel unzulässig. Wer die Dreiwochenfrist zur Klageerhebung verpasst, kann die Klage nachträglich zulassen lassen, wenn sie ohne eigenes Verschulden erst später sichere Kenntnis von der bereits bestehenden Schwangerschaft hatte.
Wichtig ist aus Sicht des Gerichts, was als sichere Kenntnis gilt. Ein positiver Schwangerschaftstest zuhause reicht nicht aus. Denn damit steht nicht fest, ob die Schwangerschaft bereits im Zeitpunkt der Kündigung bestand. Diese Frage ist entscheidend. Maßgeblich ist deshalb die ärztliche Feststellung, die in der Regel auch den Beginn der Schwangerschaft datiert. Erst mit diesem Wissen beginnt die zweiwöchige Frist, in der die nachträgliche Zulassung der Klage beantragt werden muss.
Im konkreten Fall handelte die Klägerin zügig: Sie suchte sofort einen Arzttermin, bekam ihn aber erst am 17. Juni 2022. Das konnte ihr nicht angelastet werden. Dass sie die Klage schon am 13. Juni eingereicht und den Antrag auf nachträgliche Zulassung gestellt hatte, war unschädlich. Das Gericht stellte klar, dass ein solcher Antrag sogar „vorfristig“ gestellt werden darf. Entscheidend ist, dass die Voraussetzungen später nachgewiesen werden und die zweiwöchige Frist nach der ärztlichen Bestätigung eingehalten wird.
Ein weiterer Punkt betrifft die Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Die Klägerin hatte den positiven Test zwar früh gemeldet, daraus ergab sich aber noch nicht sicher, dass die Schwangerschaft bereits bei Zugang der Kündigung vorlag. Diese Mitteilung holte sie nach der ärztlichen Bestätigung im Rahmen des Gerichtsverfahrens unverzüglich nach. Auch das genügt.
Schließlich stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass die allgemeine Dreiwochenfrist für Kündigungsschutzklagen grundsätzlich auch bei Schwangeren gilt. Sie wird nicht automatisch ausgesetzt, nur weil eine behördliche Zustimmung zur Kündigung in solchen Fällen erforderlich sein kann. Damit bleibt die Fristenstruktur überschaubar. Gleichzeitig sorgt die Möglichkeit der nachträglichen Zulassung dafür, dass Frauen, die von ihrer Schwangerschaft erst später sicher erfahren, nicht schutzlos gestellt sind.
Was bedeutet das für Arbeitnehmerinnen
Wenn Sie eine Kündigung erhalten und vermuten, schwanger zu sein, sollten Sie schnell handeln. Vereinbaren Sie umgehend einen Termin bei Ihrer Frauenärztin und informieren Sie den Arbeitgeber. Entscheidend ist die ärztliche Bestätigung, denn erst damit beginnt die zweiwöchige Frist, um eine bereits verstrichene Dreiwochenfrist durch einen Antrag auf nachträgliche Zulassung zu „retten“. Eine frühzeitige Klageeinreichung mit einem vorsorglichen Antrag ist möglich und kann sinnvoll sein. Bewahren Sie E‑Mails, Atteste und Terminnachweise sorgfältig auf.
Sollten Sie in einer ähnlichen Situation sein, unterstützt Sie die Kanzlei am Südstern aus Berlin gerne. Mit umfassender Expertise im Arbeitsrecht helfen wir Ihnen dabei, Ihre Rechte im Kündigungsschutz bestmöglich wahrzunehmen und Sie kompetent zu beraten, um Fristen und Anträge richtig zu handhaben.
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Dieser Blog-Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei konkreten Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.04.2025 Direktlink zur Entscheidung des Gerichts.
