Kunst oder Kriminalität? Der Ersteller eines Söder-Graffitis vor Gericht

Am 8. Mai 2024 entschied das Bayerische Oberste Landesgericht (Aktenzeichen: 204 StRR 452/23) in einem Fall, der die Grenzen der Kunstfreiheit auslotete. Ein Graffiti-Künstler war angeklagt, weil er ein Graffiti an eine Scheunenwand gesprüht hatte, das den Bayerischen Ministerpräsidenten in einer uniformierten Gestalt darstellte, die teilweise an eine SS-Uniform erinnerte. Das Amtsgericht Nürnberg und in der Berufung das Landgericht Nürnberg-Fürth hatten den Künstler bereits zu einer Geldstrafe verurteilt. Doch der Künstler zog bis vor das Bayerische Oberste Landesgericht. Dieser Blogartikel der Kanzlei am Südstern beleuchtet den Hintergrund des Falls und die Entscheidung des Gerichts.

Ein provokantes Graffiti und seine rechtlichen Konsequenzen

Zwischen dem 8. Juni 2022 und dem 20. Juli 2022 sprühte der angeklagte Künstler ein großflächiges Graffiti an die Wand einer Feldscheune. Das Bild erinnerte an eine Postkarte mit dem Schriftzug „Liebesgrüße aus Bayern“. Im oberen Bildbereich war eine uniformierte Person zu sehen, deren Gesicht zur Hälfte aus einem Totenschädel bestand, während die andere Gesichtshälfte dem Bayerischen Ministerpräsidenten Söder ähnelte. Zwei kleinere Bilder darunter zeigten Polizeibeamte, die scheinbar Gewalt gegen wehrlose Personen anwendeten.

Der Künstler erklärte, er wollte einen Vorfall von Polizeigewalt, den er selbst erlebt hatte, verarbeiten und darstellen. Er betonte, dass die abgebildete Person keine konkrete Identität habe und die Uniform keine SS-Uniform sei, sondern schwarze Farbe negative Emotionen ausdrücken solle. Das Bild war absichtlich provokant und sollte die Staatsgewalt in Bayern kritisch hinterfragen.

Dennoch sahen die bisherigen Gerichte in dem Graffiti eine Verletzung des Strafgesetzbuches. Sie verurteilten den Künstler wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, da die Uniformelemente an die SS erinnerten, und wegen Beleidigung des Bayerischen Ministerpräsidenten. Trotz der Berufung blieb die Verurteilung bestehen, und der Künstler legte Revision ein.

Freispruch durch das Bayerische Oberste Landesgericht

Das Bayerische Oberste Landesgericht hob die Urteile der Vorinstanzen auf und sprach den Künstler frei.

Keine eindeutigen verfassungswidrigen Kennzeichen

Das Gericht stellte fest, dass die dargestellten Uniformteile in ihrer Gesamtschau keine eindeutigen Merkmale einer SS-Uniform aufwiesen. Die schwarze Farbe, die Schirmmütze mit Kordel und das quadratische Rangabzeichen am Kragen erinnerten zwar an SS-Uniformen, jedoch fehlten entscheidende Elemente. Auch die Totenschädeldarstellung wich deutlich vom stilisierten Totenkopfabzeichen der SS ab.

Kunstfreiheit und Satire

Besonders bedeutend war die Bewertung des Graffitis als Kunstwerk. Das Gericht erkannte an, dass das Graffiti nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kunstbegriffen klar als Kunst einzustufen sei. Es handle sich um eine kreative, satirische Darstellung, die überzeichnet und verzerrt sei – typische Merkmale der Satire, die von der Kunstfreiheit gedeckt sind.

Abwägung der Grundrechte

Die Richter betonten, dass bei der Abwägung zwischen der Kunstfreiheit des Künstlers und den Persönlichkeitsrechten des Ministerpräsidenten die Kunstfreiheit überwog. Trotz der Provokation und der satirischen Kritik sei keine schwerwiegende Verunglimpfung des Ministerpräsidenten erkennbar. Das Gericht betonte, dass politische Satire auch scharf und polemisch sein dürfe, solange sie nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreite.

Da das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts rechtskräftig ist, sind keine weiteren Rechtsmittel gegen diese Entscheidung möglich.

Fazit: Ein Freispruch im Zeichen der Kunstfreiheit

Der Fall zeigt, wie wichtig die Abwägung zwischen Kunstfreiheit und strafrechtlichen Normen ist. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat klargestellt, dass auch provokative und satirische Kunst unter den Schutz des Grundgesetzes fällt. Dies ist ein relevantes Urteil für alle, die ihre Meinungen und Erfahrungen durch Kunst ausdrücken möchten. Es verdeutlicht, dass die Kunstfreiheit ein hohes Gut ist, das sorgfältig gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden muss.

 

Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung und kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Strafrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

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Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Anliegen oder Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 8. Mai 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.

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