Ein interessantes Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. April 2024 (Az.: 3 O 457/23) behandelt die Frage, ob die bloße Übergabe von Sparbüchern für eine wirksame Schenkung von Sparguthaben ausreicht. Im Zentrum des Falls steht ein Streit um zwei Sparbücher im Wert von insgesamt 92.148,41 €, die einst einem verstorbenen Mann gehörten. Der Testamentsvollstrecker des Nachlasses forderte die Herausgabe der Sparbücher von der Schwester des Verstorbenen, welche die Sparbücher nach dessen Tod in ihrem Besitz hatte. Das Gericht musste entscheiden, ob die Übergabe der Sparbücher eine wirksame Schenkung darstellt oder ob weitere Formalitäten erforderlich sind.
Die Übergabe der Sparbücher
Der Kläger, der als Testamentsvollstrecker für den Nachlass von Herrn S. fungiert, forderte die Herausgabe zweier Sparbücher von der Beklagten, der Schwester des Erblassers. Der Erblasser, der im Oktober 2020 verstarb, hatte zwei Sparkonten bei einer Sparkasse, die auf seinen Namen liefen. Diese Sparbücher wurden der Beklagten im Mai 2019 von ihrem Bruder übergeben, wie sie behauptete.
Laut der Beklagten erklärte ihr Bruder bei der Übergabe, dass sie über das Guthaben frei verfügen könne, wodurch er sie finanziell absichern wollte. Diese Behauptung wurde im Laufe des Verfahrens von mehreren Zeugen, darunter die Tochter und der Schwiegersohn der Beklagten sowie ein Cousin des Erblassers, gestützt. Die Zeugen berichteten, dass der Erblasser die Schenkung der Sparbücher mehrfach in Gesprächen bestätigte.
Der Kläger hingegen argumentierte, dass die Sparbücher dem Nachlass des Verstorbenen zuzurechnen seien, da keine formale Abtretungserklärung zugunsten der Beklagten bei der Bank hinterlegt wurde. Er wies darauf hin, dass die Schenkung formell unwirksam sei, da sie nicht notariell beurkundet wurde und die Beklagte keine Schenkungssteuer gezahlt habe.
Die juristische Bewertung der Schenkung durch das Landgericht Koblenz
Das Landgericht Koblenz wies die Klage ab und entschied zugunsten der Beklagten. Das Gericht stellte fest, dass die Sparbücher und die damit verbundenen Sparguthaben durch Schenkung in das Eigentum der Beklagten übergegangen seien. Es wurde betont, dass eine mündliche Schenkungsvereinbarung dann wirksam sei, wenn sie vollzogen wurde. Da es sich bei den Sparbüchern um bewegliche Sachen handelt, wurde die Schenkung durch die Übergabe der Sparbücher vollzogen.
Das Gericht erläuterte, dass das Sparbuch eine Forderung gegen die Bank verbrieft und diese Forderung nicht allein durch die Übergabe des Sparbuchs auf einen Dritten übergeht. Stattdessen sei eine Abtretungsvereinbarung zwischen dem ursprünglichen Inhaber und dem neuen Inhaber erforderlich. Eine solche Abtretung könne jedoch konkludent, also stillschweigend, erfolgen. Im vorliegenden Fall sah das Gericht die Übergabe der Sparbücher durch den Erblasser an die Beklagte als konkludente Abtretungsvereinbarung an.
Das Gericht berücksichtigte die Zeugenaussagen, die bestätigten, dass der Erblasser der Beklagten die Sparbücher mit der Erklärung übergab, dass sie über das Guthaben verfügen könne und dass die Beklagte ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Bruder hatte. Die fehlende Anzeige der Schenkung beim Finanzamt wurde als nicht entscheidend erachtet, da dies verschiedene Gründe haben könne und keinen belastbaren Rückschluss auf die Gültigkeit der Schenkung zulasse.
Zusammenfassend kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Schenkung der Sparbücher durch die Übergabe und die damit verbundene konkludente Abtretungsvereinbarung wirksam vollzogen wurde. Somit gehören die Sparbücher nicht zum Nachlass des Erblassers, sondern rechtmäßig der Beklagten.
Dieses Urteil zeigt, wie die rechtlichen Anforderungen an Schenkungen von Sparguthaben ausgelegt werden können. Die Entscheidung des Landgerichts Koblenz verdeutlicht, dass bei der Übergabe von Sparbüchern besondere Umstände berücksichtigt werden und eine konkludente Abtretung möglich ist. Für Erben und Testamentsvollstrecker ist es daher wichtig, die rechtlichen Feinheiten solcher Schenkungen zu verstehen, um den Nachlass korrekt abzuwickeln.
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Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Anliegen oder Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 18. April 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.