BVerwG-Urteil: Ab wann gilt ein Elternteil als alleinerziehend?

von Henning Albers // Juristischer Mitarbeiter // Kanzlei am Südstern

 

» Dass Kinder von einem Elternteil alleine erzogen werden ist keine Besonderheit in Deutschland.

Nach Angaben des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter gibt es in Deutschland 2,7 Mio. Alleinerziehende mit 3,9 Mio. Kindern. Rund 16 % aller minderjährigen Kinder wachsen bei Alleinerziehenden auf, 85 % der Alleinerziehenden sind Frauen.

Am 12.12.2023 schaffte ein Urteil des BVerwG (Urt. v. 12.12.2023, Az. 5 C 9.22 u. BVerwG 5 C 10.22) für Alleinerziehende Rechtssicherheit in einer lange ungewissen Rechtsproblematik:

Ab wann gilt familienrechtlich ein Elternteil als alleinerziehend?

 

Zugrundeliegender Fall

Eine Mutter kümmerte sich primär um ihre zwei Zwillingstöchter. Der getrennt lebende Kindervater kam seinen geforderten Barunterhalt nicht nach, beteiligte sich während der Schulzeit der Kinder mit 36 % ebenfalls an der Betreuung der Kinder. Dies war auf eine familienrechtliche Vereinbarung zurückzuführen. Die Mutter machte beim lokalen Jugendamt Unterhaltsansprüche gegen jenen geltend. In erster Instanz wurde ihre Klage zurückgewiesen.

 

Rechtslage

So ist laut § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG für Unterhaltsvorschuss derjenige Elternteil berechtigt, wenn das Kind nur “bei einem seiner Elternteile lebt”. Nach Sinn und Zweck der Norm wurde das Leben bei nur einem Elternteile dahingehend ergänzt, dass auch Elternteile vorschussberechtigt sind, die “ganz überwiegend” für die Erziehung und Betreuung des Kindes verantwortlich sind.

Die Bedeutung des “ganz überwiegend” war lange Zeit umstritten. Quantitative, qualitative und andere Faktoren wurden hierfür angeführt.

Zur Erleichterung vieler dürfte jetzt das Bundesverwaltungsgericht klärend darüber geurteilt haben.

 

Neue Rechtslage – Was ist alleinerziehend?

Das BVerwG hat sich zur lange ersehnten Definition des Begriffs “alleinerziehend” und “ganz überwiegend verleiten lassen.

So ist ein Elternteil i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG alleinerziehend, wenn jener mehr als 60 Prozent der Betreuung des Kindes übernimmt.

Dies berechtigt Alleinerziehende zur Antragsfähigkeit von Unterhaltsvorschussleistungen beim Jugendamt, wenn der andere Elternteil seine Unterhaltszahlungen versäumt. Liegt der Betreuungsanteil bei über 40 % gibt es einen Anspruch auf einen solchen Vorschuss nicht.

 

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