Heutzutage sind private Chatgruppen auf Plattformen wie WhatsApp ein alltägliches Kommunikationsmittel. Doch was passiert, wenn in diesen Gruppen Inhalte geteilt werden, die rechtlich bedenklich sind? Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 08. Juli 2024 (Az.: 1 Ws 171/23) eine Entscheidung getroffen, die sich mit genau dieser strafrechtlichen Frage beschäftigt. In dem Fall ging es um mehrere Polizeibeamte, die in einer WhatsApp-Gruppe namens „Itiotentreff“ menschenverachtende und rechtsextreme Inhalte geteilt hatten.
Hintergrund und Verfahrensgang: von privaten Chatgruppen bis zum OLG
Der Fall begann im Herbst 2014, als mehrere Polizeibeamte sowie die Lebensgefährtin eines Beamten in verschiedenen WhatsApp-Gruppen, darunter die Gruppe „Itiotentreff“, Bild- und Videodateien mit verbotenen Inhalten teilten und sich darüber belustigten. Diese Inhalte umfassten unter anderem Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, volksverhetzende Äußerungen und gewaltverherrlichende Darstellungen. Die Gruppe „Itiotentreff“ umfasste zwischen sechs und acht Mitglieder, die binnen eines Jahres über 1600 Nachrichten austauschten.
Die Ermittlungen begannen, als an einem Dienstrechner eines der Beamten die Adresse einer Rechtsanwältin abgefragt wurde, die später ein Drohfax erhielt. Bei der Untersuchung der Mobiltelefone und Computer der Beteiligten stießen die Ermittler auf die besagten Chatgruppen und deren Inhalte. Die Staatsanwaltschaft sah hierin einen hinreichenden Tatverdacht für das Verbreiten besagter Inhalte und wollte ein Strafverfahren gegen die Chatgruppen-Mitglieder eröffnen. Das Landgericht Frankfurt lehnte dies jedoch ab, woraufhin die Staatsanwaltschaft Beschwerde beim OLG einlegte.
OLG Frankfurt über die Frage des Verbreitens verbotener Inhalte
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Das Gericht argumentierte, dass das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens nicht erfüllt sei.
Nach deutschem Strafrecht setzt das Verbreiten von inkriminierten Inhalten voraus, dass diese einem größeren, unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden. In diesem Fall wurden die Inhalte jedoch nur in privaten, geschlossenen Chatgruppen geteilt, deren Mitgliederzahl überschaubar und deren Zusammensetzung bekannt war. Das Gericht stellte fest, dass die Mitglieder der Gruppe eng miteinander verbunden waren. Dadurch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Inhalte an eine unbestimmte Anzahl von Personen weitergegeben würden.
Das Gericht betonte, dass zudem die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit berücksichtigt werden müsse. Allein die Möglichkeit, dass eine WhatsApp-Nachricht leicht weitergeleitet werden könne, reiche nicht aus, um ein Verbreiten anzunehmen. Es müsse konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass der Empfänger den Inhalt weitergebe und der Versender dies billigend in Kauf nehme. Solche Anhaltspunkte lagen in diesem Fall laut OLG nicht vor.
Das Gericht führte aus, dass sich die Polizeibeamten der dienstrechtlichen Konsequenzen bewusst waren, die eine Weiterleitung der Inhalte haben könnte. Dies spreche ebenfalls gegen die Annahme, dass sie eine Weiterverbreitung billigend in Kauf genommen hätten. Der Zweck der Gruppe sei es gewesen, durch das Einstellen schockierender Inhalte die Mitglieder zu „belustigen“, was sich bereits aus dem Namen „Itiotentreff“ ergebe.
Zusammenfassend hielt das OLG fest, dass die Handlungen der Angeklagten zwar moralisch verwerflich und dienstrechtlich relevant seien, jedoch strafrechtlich nicht als Verbreiten im Sinne der in Betracht kommenden Straftatbestände zu werten seien. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar und das Verfahren wurde endgültig eingestellt.
Fazit
Dieser Fall zeigt, wie komplex die rechtliche Bewertung von Inhalten in privaten Chatgruppen sein kann. Das Urteil des OLG Frankfurt am Main verdeutlicht die hohen Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens gestellt werden und wie wichtig es ist, die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Für Betroffene und Interessierte bietet dieser Fall wichtige Einblicke in die rechtlichen Grenzen und Möglichkeiten im Umgang mit digitalen Inhalten.
Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Strafrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
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Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 08. Juli 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.