Gleiches Recht für alle? Überstundenzuschläge bei Teilzeitkräften

Am 5. Dezember 2024 fällte das Bundesarbeitsgericht (Az.: 8 AZR 370/20) eine Entscheidung, die viele Teilzeitbeschäftigte interessieren dürfte. Im Zentrum stand die Frage: Dürfen Arbeitgeber Überstundenzuschläge an Teilzeitkräfte nur dann zahlen, wenn diese genauso viel arbeiten wie Vollzeitkräfte – oder ist das unfair? In dem verhandelten Fall klagte eine Pflegekraft gegen ihren Arbeitgeber – einen großen Dialyseanbieter – und forderte eine faire Behandlung bei den Überstundenzuschlägen. Was das Bundesarbeitsgericht dazu entschieden hat und welche Grundsätze sich daraus ableiten lassen, lesen Sie in diesem Beitrag der Kanzlei am Südstern in Berlin.

Worum ging es konkret? Der Fall einer teilzeitbeschäftigten Pflegekraft

Die Klägerin – eine Pflegekraft bei einem großen Dialyseanbieter mit über 5.000 Beschäftigten – arbeitete im Umfang von 40 % einer Vollzeitstelle. Wie viele andere war sie im Rahmen eines Manteltarifvertrags angestellt, den der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hatte.

Dieser Tarifvertrag sah vor, dass es Zuschläge für Überstunden nur dann gibt, wenn die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird – unabhängig davon, wie viel Prozent der Arbeitszeit jemand tatsächlich arbeitet. Für Teilzeitkräfte wie die Klägerin bedeutete das: Auch wenn sie regelmäßig über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitete, bekam sie weder Überstundenzuschläge noch eine angemessene Zeitgutschrift. Am Ende wies ihr Arbeitszeitkonto 129 Stunden auf – jedoch ohne entsprechende Vergütung oder Zeitgutschrift.

Die Pflegekraft forderte daraufhin, dass weitere 38 Stunden und 49 Minuten auf ihrem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden – samt Entschädigung wegen Diskriminierung. Denn die Regelung benachteilige Teilzeitkräfte systematisch und sei zudem indirekt geschlechtsdiskriminierend. Der Argumentation nach arbeiten in Teilzeit überwiegend Frauen – so auch beim beklagten Arbeitgeber.

Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, erkannte das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf Zeitgutschrift an. Doch die Klägerin ging bis vor das Bundesarbeitsgericht.

Die Entscheidung des BAG – ein Urteil mit Signalwirkung

Und das höchste deutsche Arbeitsgericht gab ihr größtenteils recht. Die tarifliche Regelung verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (§ 4 Abs. 1 TzBfG), Teilzeitkräfte müssen – so das Gericht – genauso behandelt werden wie Vollzeitkräfte. Eine anteilige Anpassung der Schwelle für Überstundenzuschläge sei daher zwingend erforderlich. Ein sachlicher Grund für die Benachteiligung war nicht erkennbar.

Da rund 90 % der Teilzeitkräfte im Unternehmen Frauen sind, sah das Gericht auch einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§ 7 Abs. 1 AGG). Die tarifliche Regelung wirke sich nachteilig auf eine überwiegend weibliche Beschäftigtengruppe aus – und das ohne sachliche Rechtfertigung.

Die Klägerin erhält daraufhin nicht nur die verlangte Zeitgutschrift, sondern auch eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro – als Ausgleich für den immateriellen Schaden und als Signal an den Arbeitgeber.

Fazit

Dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts macht deutlich: Teilzeitbeschäftigte dürfen nicht als „Arbeitnehmer zweiter Klasse“ behandelt werden, wenn es um Überstunden geht. Arbeitgeber und Tarifparteien sind nun gefordert, ihre Regelungen zu überdenken.

Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

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Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.