Am 18. Dezember 2024 verhandelte das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen: 14 U 119/24) über Haftungsfragen in einem Verkehrsunfall, bei dem ein alkoholisierter Fußgänger ums Leben kam. Die Mutter des Verstorbenen forderte daraufhin eine Entschädigungszahlung sowie die anteilige Übernahme der Beerdigungskosten. Wie das Gericht entschied und welche Aspekte dabei eine Rolle spielten, erfahren Sie in diesem Blogartikel der Kanzlei am Südstern.
Die Forderungen der Klägerin und die Sicht der Gegenseite
Der Unfall ereignete sich am frühen Morgen des 11. Juli 2021 auf einer Landstraße außerhalb geschlossener Ortschaften. Der Sohn der Klägerin geriet auf die Fahrbahn und wurde dort von einem Fahrzeug erfasst. Trotz eines eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Autofahrer wurde dieses gegen eine Geldauflage von 1.200 Euro eingestellt.
Die Mutter des Verstorbenen war jedoch der Meinung, dass der Fahrer den Unfall hätte verhindern können. Ihrer Auffassung nach war es bereits hell genug, um Fußgänger zu erkennen, zudem sorgte eine nahegelegene Straßenlaterne für zusätzliche Beleuchtung. Auch die helle Kleidung ihres Sohnes hätte seine Sichtbarkeit erhöhen müssen. Sie forderte deshalb 12.000 Euro Hinterbliebenengeld sowie 75 % der Beerdigungskosten, was einem Betrag von 5.419,62 Euro entsprach.
Die Beklagten – der Autofahrer und seine Haftpflichtversicherung – sahen hingegen keine Schuld beim Fahrer. Ihrer Argumentation zufolge habe der Fußgänger durch sein fahrlässiges Verhalten selbst die Hauptverantwortung für den Unfall getragen. Der Fahrer habe sich an die geltenden Verkehrsregeln gehalten und sei weder zu schnell gefahren noch unaufmerksam gewesen.
Gerichtliche Einschätzung und Urteilsbegründung
Sowohl das Landgericht Lüneburg in der ersten Instanz als auch das Oberlandesgericht Celle in der Berufung kamen zu dem Schluss, dass die Mutter des Verstorbenen keinen Anspruch auf eine höhere Entschädigung hat. Das Berufungsgericht bestätigte das vorherige Urteil und entschied, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens tragen muss.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war ein unfallanalytisches Gutachten. Daraus ging hervor, dass der Fahrer den Fußgänger erst aus einer Distanz von 25 bis 30 Metern hätte wahrnehmen können. Angesichts der gefahrenen Geschwindigkeit blieb ihm keine Möglichkeit mehr, rechtzeitig auszuweichen oder zu bremsen. Selbst die von der Klägerin betonten Faktoren – Straßenbeleuchtung, Dämmerung und helle Kleidung – änderten nichts daran, dass der Fußgänger für den Autofahrer zu spät erkennbar war.
Das Gericht legte eine Haftungsverteilung fest: Der Autofahrer hatte ein Drittel der Verantwortung zu tragen, während dem Verstorbenen zwei Drittel der Schuld zugewiesen wurden. Grund dafür war, dass der Fußgänger durch sein unachtsames Verhalten maßgeblich zum Unfall beigetragen hatte. Dem Fahrer wurde hingegen kein Verstoß gegen die Verkehrsregeln nachgewiesen.
Auf Grundlage dieser Haftungsquote erhielt die Mutter des Verstorbenen eine Entschädigung von 3.333,33 Euro – ein Drittel der normalerweise angemessenen 10.000 Euro. Die Richter betonten, dass das Hinterbliebenengeld lediglich eine symbolische Anerkennung für den erlittenen Schmerz darstellt und keinen tatsächlichen Ersatz für den Verlust eines geliebten Menschen bieten kann.
Fazit
Dieser Fall macht deutlich, dass Fußgänger im Straßenverkehr eine besondere Eigenverantwortung tragen – insbesondere wenn Alkohol im Spiel ist. Autofahrer sind nicht automatisch verpflichtet, ihre Geschwindigkeit nur wegen eines möglichen Fußgängers am Fahrbahnrand anzupassen. Gleichzeitig kann die sogenannte Betriebsgefahr eines Fahrzeugs dazu führen, dass auch der Fahrer in gewissem Maß haftet, selbst wenn ihn keine direkte Schuld trifft.
Für Hinterbliebene bedeutet dies, dass Entschädigungsansprüche nicht zwangsläufig in voller Höhe durchgesetzt werden können. Falls der Verstorbene durch eigenes Fehlverhalten zum Unfall beigetragen hat, kann dies eine erhebliche Kürzung der Forderungen nach sich ziehen. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann in solchen Fällen helfen, realistische Erwartungen zu entwickeln und die bestmöglichen Schritte einzuleiten.
Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Verkehrsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
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Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgericht Celle vom 18. Dezember 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.