Mit Urteil vom 28. April 2015 entschied der BGH über die Frage, ob der Geschädigte eines Kfz-Unfalls bei der Wahl der Reparaturwerkstatt grundsätzlich auf die günstigste Alternative zurückgreifen muss oder ob ihm auch die vergleichsweise hohen Kosten für eine markengebundene Fachwerkstatt zu erstatten sind.
Im zu entschiedenen Fall ging es um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden zwischen dem Kläger und seinem Unfallgegner. Dass die Haftpflichtversicherung des Schädigers generell für den Schaden aufkommen musste, stand außer Frage. Lediglich über die Wahl der Reparaturwerkstatt stritten sich die Parteien. Ein vom Geschädigten eingeholtes Sachverständigengutachten veranschlagte die Kosten für die Reparatur auf Grundlage der Stundensätze einer markenspezifischen Werkstatt. Die Versicherung des Beklagten ging bei ihrer Schadensberechnung hingegen von geringeren Kosten aus und schlug dem Geschädigten dazu drei Werkstätten mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen vor.
Bei zwei der vorgeschlagenen Werkstätten handelte es sich um Partnerwerkstätten der Versicherung, welche im Rahmen vertraglicher Beziehungen die Reparatur von Kaskoschäden durchführen. Bei der dritten vorgeschlagenen Werkstatt handelte es sich um eine von der Versicherung unabhängige „freie Fachwerkstatt“.
Fraglich war nun, ob der Geschädigte bezüglich der Werkstatt die freie Wahl hat oder grundsätzlich nur die Kosten für die günstigste Alternative ersetzt werden.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Geschädigte gemäß § 254 II BGB grundsätzlich auf eine preiswertere Reparatur verwiesen werden könne, solange sich hieraus keinerlei zusätzlicher Aufwand ergebe und die Qualität der Reparatur dem Niveau einer Vertragswerkstatt entspreche. Der Verweis müsste damit vor allem zumutbar sein. Der Bundesgerichtshof bestätigte – entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung –, dass eine Unzumutbarkeit „freier Werkstätten“ immer dann angenommen werden könne, wenn diese nur gegenüber der Haftpflichtversicherung und nicht generell günstiger seien.
Das Gericht räumte dem Geschädigten als Herr des Restitutionsgeschehens ein grundsätzliches Wahlrecht ein. Demnach sei es nicht zu rechtfertigen, dass er sich an eine vertraglich mit der Versicherung verbundene „freie Werkstatt“ zu binden habe. Er müsse sich nicht in die Hände des Schädigers begeben. Der Bundesgerichtshof nahm im konkreten Fall an, dass eine Interessenkollision der „freien Werkstatt“ vorliege, auch wenn sich die mit der Versicherung unterhaltenen Verträge nur auf Kaskoschäden beziehen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Werkstatt nur der Versicherung gegenüber aus Gründen des Wohlwollens ein besonders günstiges Angebot machte. Folglich sei nicht gewährleistet, dass jeder Kunde diese Konditionen erhalte. Letztlich könne der Kläger daher nicht verpflichtet sein, die Reparatur in der „freien Fachwerkstatt“ durchführen zu lassen. Sein Wahlrecht bezüglich der Reparaturwerkstatt zu verneinen sei damit unzumutbar.
BGH, Urt. V. 28.04.2015 – VI ZR 267/14