Mindestlohn für Arbeit in einem Yoga-Ashram?

Am 25. April 2023 hat das Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 9 AZR 253/22 über einen interessanten Fall entschieden, der sich mit der Frage des Arbeitnehmerstatus eines Mitglieds einer spirituellen Gemeinschaft befasst. Im Zentrum stand die Klägerin, die von 2012 bis 2020 als Mitglied eines Yoga-Ashrams tätig war und behauptete, ihr stünde der gesetzliche Mindestlohn für ihre Tätigkeit zu. Das Gericht hatte zu prüfen, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin des Vereins anzusehen war oder ob der Verein als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft ihr rechtlich einen anderen Status einräumen konnte.

Die Tätigkeit der Klägerin im Yoga-Ashram

Der Fall drehte sich um eine Volljuristin, die von März 2012 bis Juni 2020 in einem Yoga-Ashram eines gemeinnützigen Vereins lebte und arbeitete. Dieser Verein, der sich der Verbreitung von Yoga und verwandten Disziplinen widmet, organisierte seine Mitglieder in sogenannten Sevaka-Gemeinschaften. Diese Mitglieder, darunter auch die Klägerin, verpflichteten sich, nach Weisung ihrer Vorgesetzten verschiedene Arbeiten zu leisten, die von Haushalt und Gartenarbeit bis hin zur Durchführung von Seminaren und Yogaunterricht reichten.

Die Sevakas, einschließlich der Klägerin, erhielten als Gegenleistung für ihre Dienste Unterkunft, Verpflegung und ein monatliches Taschengeld von bis zu 390 Euro, mit einem zusätzlichen Betrag bei Führungsverantwortung. Die Klägerin, die sich ursprünglich aus spirituellen Gründen dem Verein angeschlossen hatte, machte geltend, dass in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis bestand. Sie forderte rückwirkend ab dem 1. Januar 2017 den gesetzlichen Mindestlohn für ihre Tätigkeit. Der Verein argumentierte jedoch, dass die Klägerin als Mitglied einer geistlichen Gemeinschaft nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war und daher keinen Anspruch auf Mindestlohn hätte. Man verwies auf die Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die es dem Verein erlaubten, solche Dienste außerhalb des Arbeitsrechts zu organisieren.

Gerichtliche Bestätigung des Arbeitnehmerstatus

Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin letztlich Recht und stellte fest, dass sie als Arbeitnehmerin anzusehen ist und daher Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn hat. Das Gericht betonte, dass die Klägerin weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet habe, was den Kriterien eines Arbeitsverhältnisses entspricht. Die Tatsache, dass der Verein sich auf spirituelle und religiöse Praktiken berief, änderte nichts an der arbeitsvertraglichen Natur ihrer Arbeit.

Das Gericht entschied ferner, dass der Verein keine ausreichende religiöse Systembildung und Weltdeutung aufwies, um als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes anerkannt zu werden. Daher könne er nicht das Selbstbestimmungsrecht von solchen Gemeinschaften in Anspruch nehmen, um arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zu umgehen. Besonders betonte das Gericht, dass der Mindestlohn als Ausdruck der Menschenwürde und zur Existenzsicherung nicht durch Sachleistungen wie Kost und Logis ersetzt werden könne.

Verfassungsbeschwerden

Nach der Entscheidung vom Bundesarbeitsgericht reichte der Yoga-Verein Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Ziel war es, dass der Verein als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft angesehen wird, wodurch eventuell staatliches Arbeitsrecht nicht greifen würde.

Diese Beschwerde hat das Bundesverfassungsgericht jedoch zurückgewiesen. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass die Tätigkeiten der Mitarbeiterin nicht religiös geprägt waren und es deswegen irrelevant ist, ob der Verein als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft angesehen wird.

Fazit

Diese beiden Entscheidungen verdeutlichen, dass auch in spirituellen oder gemeinnützigen Kontexten die grundlegenden arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen nicht umgangen werden dürfen. Es zeigt, dass Weisungsgebundenheit und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses sind, unabhängig davon, wie die vertraglichen Beziehungen formal bezeichnet werden. Personen, die sich in ähnlichen Situationen befinden, sollten daher genau prüfen, ob ihre Tätigkeit als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und sie Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben.

Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung und kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

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Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Anliegen oder Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 2023, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.