Pastiche, capiche?! Das Urheberrecht, Sampling und der EuGH

von Henning Albers // Juristischer Mitarbeiter // Kanzlei am Südstern

 

» Der langjährige Rechtsstreit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham ist die unendliche Geschichte des Urheberrechts:

1999 fing es an mit einer Klage Kraftwerks gegen Moses Pelham. Dieser sampelte 1997 für einen Song mit Sabrina Setlur einen zwei Sekunden langen Drum-Loop von Kraftwerks Song „Metall auf Metall“ aus dem Jahre 1997.

 

Bisheriger Verfahrensverlauf

Eine chronologische Aufzählung soll dem Leser erspart bleiben, nur so viel:

Insgesamt ging die Odyssee bisher fünfmal bis zum BGH, einmal zum BVerfG und bis zum EuGH.

Im September hat der BGH noch einmal dem EuGH eine Vorabentscheidungsfrage bezüglich einer neu eingeführten Ausnahmeregelung, dem Pastiche nach § 51a S. 1 Var. 3 UrhG.

Das Pastiche ersetzte im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2021 die vormalig für europarechtwidrig erklärte freie Benutzung nach § 24 UrhG aF.

Nach dem § 24 II UrhG aF war die freie Benutzung für Musik eingeschränkt und nur mit Einwilligung des Rechteinhabers zulässig. Dies hatte zur Folge, dass der BGH 2008 die Kunstfreiheit erheblich eingeschränkt sah und die Regelung für nicht verfassungskonform erklärte.

 

Pastiche – was soll das sein?

Da die neue Norm des § 51a S. 1 Var. 3 UrhG auf einer EU-Richtlinie beruht, handelt es sich um einen europarechtlich autonomen Begriff.

Die Seite Pelhams sieht darin einen lang ersehnten zulässigen Ausnahmetatbestand für das zwei Sekunden lange Sample, während Kraftwerk auf ihrer Position einer Urheberrechtsverletzung bleiben.

Da die Norm erst 2021 eingeführt worden ist, mangelt es auch an höchstrichterlicher Rechtsprechung, was genau unter dem Begriff zu verstehen sei.

Dies hat nun der EuGH zu entscheiden.

In der Kunst bedeutet es die stilistische Nachahmung eines berühmten Werks. In der Musik des 18. Jahrhunderts bezeichnet Pastiche die Verbindung mehrerer Arien von ggf. unterschiedlichen Komponisten zu einer neuen Oper.  Dies klingt überraschend ähnlich wie die heute vor allem im Hip-Hop weit verbreitete Praxis des Samplings.

 

Wie viel Pastiche darf es denn sein?

Der Teufel steckt allerdings im Detail: Während bei der freien Benutzung nach § 24 UrhG aF der Grundsatz galt, dass das Originalwerk verblassen und hinter die persönlichen Züge des neuen Urhebers treten müssen, ist all dies beim Pastiche noch völlig offen.

Durch die anderen beiden Alternativen der Karikatur (Var. 1) und Parodie (Var. 2) wird der Eindruck erweckt, dass diese Varianten für humoristische, verspottende und satirische Hommagen angedacht sind (wie etwa Memes). Dies legt den Eindruck nahe, dass kein humoristisches, sondern ein wertschätzendes Element das Pastiche prägt.

Darüber, wann und wie ein Werk einem älteren Werk gegenüber wertschätzend ist und über genug eigene geistige Schöpfung verfügt, dass es als Pastiche urheberechtlich zulässig sei.

Angesichts der Tatsache, dass Sampling heutzutage allgegenwärtig und jeder Lausbub zuhause mit Ableton o.ä. neue Musik produzieren kann, spricht dafür, dass es bereits gewohnheitsrechtlich anerkannt sein könnte. Allerdings müsste auch hier eine eigene kreative Leistung vorliegen. Das Ausmaß, wie sehr das ursprüngliche Werk verfremdet sein muss, ist die Gretchenfrage. Die Musikindustrie und deren Vertreter wollen selbstverständlich auch ihren Stück vom Kuchen.

Es wird spannend bleiben, wie der EuGH demnächst den Sampling-Kuchen aufteilen wird.

 

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