Im heutigen Artikel befassen wir uns mit einer interessanten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 07.02.2024, Aktenzeichen 7 ABR 8/23), welche die Frage behandelt, ob ein Betriebsrat für Schulungen auf Webinare verwiesen werden kann oder ob der Anspruch auf Präsenzveranstaltungen besteht. Dieser Fall zeigt exemplarisch die Rechte und Pflichten von Betriebsräten und deren Arbeitgebern im Kontext betriebsverfassungsrechtlicher Schulungen auf.
Hintergrund: Personalvertretung einer Fluggesellschaft fordert Übernahme von Schulungskosten
Der Fall drehte sich um eine Fluggesellschaft mit Sitz in Düsseldorf. Bei der Fluggesellschaft war eine Personalvertretung für das Kabinenpersonal eingerichtet, deren Schulungsansprüche sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz richten. Im Sommer 2021 beschlossen die Mitglieder der Personalvertretung, zwei ihrer Mitglieder, Herrn S aus Düsseldorf und Herrn K aus Köln, zu einer mehrtägigen Grundlagenschulung in Betriebsverfassungsrecht zu entsenden. Diese Schulung sollte in Potsdam vom 24. bis 27. August 2021 stattfinden.
Die Arbeitgeberin akzeptierte die Notwendigkeit der Schulung grundsätzlich, schlug jedoch vor, dass die Schulung als kostengünstigeres Webinar durchgeführt werden könnte, welches zeitgleich von demselben Schulungsanbieter angeboten wurde. Die Arbeitgeberin benannte zudem alternative Präsenzseminare in näher gelegenen Orten wie Velbert, Bad Honnef und Köln, die ebenfalls in Betracht gezogen werden könnten. Trotz dieser Vorschläge entschieden sich Herr S und Herr K für die Präsenzschulung in Potsdam. Sie reisten mittels eines von der Arbeitgeberin durchgeführten Flugs nach Berlin und von dort weiter mit dem Taxi nach Potsdam. Die Seminargebühren wurden von der Arbeitgeberin übernommen, jedoch verweigerte sie die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten in Höhe von 1.319,26 Euro inklusive Umsatzsteuer.
Die Personalvertretung argumentierte, dass Präsenzseminare einen höheren Lernerfolg und besseren Austausch zwischen den Teilnehmern bieten und daher qualitativ nicht mit Webinaren gleichzusetzen seien. Zudem sei es aufgrund urlaubs- und dienstbedingter Abwesenheit der beiden Mitglieder nicht möglich gewesen, die von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen Alternativen wahrzunehmen. Die Arbeitgeberin jedoch hielt entgegen, dass Webinare aufgrund der virtuellen Umgebung sogar zu einem besseren Lernerfolg führen könnten und dass angesichts ihrer pandemiebedingten wirtschaftlichen Lage die Schulungskosten auf das notwendige Maß beschränkt werden müssten.
Nach der Weigerung der Arbeitgeberin, diese Kosten zu übernehmen, zog die Personalvertretung vor Gericht, um die Freistellung von diesen Kosten einzufordern. Nach einigen Vorinstanzen gelangte der Fall schließlich vor das Bundesarbeitsgericht.
Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeberin muss Kosten übernehmen
Das Bundesarbeitsgericht gab der Personalvertretung recht und wies die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zurück. Das Gericht stellte fest, dass der Betriebsrat bzw. die Personalvertretung bei der Wahl des Schulungsformats einen Beurteilungsspielraum hat, der auch die Entscheidung für ein Präsenzseminar umfasst. Es wurde anerkannt, dass Präsenzseminare gegenüber Webinaren spezifische Vorteile bieten, wie etwa intensivere Lernmöglichkeiten und besseren Austausch unter den Teilnehmern.
Das Gericht bestätigte, dass die Personalvertretung ihre Entsendung im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums getroffen hatte und dabei die betrieblichen Verhältnisse und den Schulungszweck angemessen berücksichtigt hatte. Die zusätzlichen Übernachtungs- und Verpflegungskosten wurden als verhältnismäßig betrachtet und somit als erstattungsfähig angesehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass die Personalvertretung aufgrund der bevorstehenden Neuwahlen im Frühjahr 2022 ein berechtigtes Interesse an einer zeitnahen Schulung ihrer Mitglieder hatte. Auch die Tatsache, dass die vorgeschlagenen Alternativseminare entweder zeitlich oder aus anderen Gründen nicht in Betracht kamen, wurde berücksichtigt.
Der Beschluss verdeutlicht, dass Arbeitgeber zwar berechtigt sind, kostengünstigere Schulungsalternativen vorzuschlagen, jedoch die Entscheidungsfreiheit und den Beurteilungsspielraum der betrieblichen Interessenvertretung respektieren müssen. Präsenzveranstaltungen können insbesondere dann als erforderlich gelten, wenn sie einen höheren Lern- und Kommunikationswert bieten und somit im Interesse einer effektiven Personalvertretungsarbeit stehen.
Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts unterstreicht die Bedeutung der Wahlfreiheit bei Schulungsformaten für betriebliche Interessenvertretungen und zeigt auf, dass kostensparende Maßnahmen nicht unbesehen über die Qualität und Wirksamkeit einer Schulung gestellt werden dürfen. Arbeitgeber und Betriebsräte sollten daher gemeinsam Lösungen finden, die sowohl den betrieblichen Anforderungen als auch den qualitativen Ansprüchen an Schulungen gerecht werden.
Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung und kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
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Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Anliegen oder Fragen wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7. Februar 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.