Social Media und Ehrschutz: Strafbarkeit beleidigender Äußerungen

Am 30. September 2024 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken in einem Fall, der die Grenzen der Meinungsfreiheit und den Schutz von Personen des politischen Lebens in sozialen Medien beleuchtet (Az.: 1 ORs 1 SRs 8/24). Der Fall dreht sich um einen Mann aus Kaiserslautern, der die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Facebook beleidigte. Erfahren Sie mehr über die Entscheidung des OLG Zweibrücken im heutigen Artikel der Kanzlei am Südstern.

Kontext und Hintergrund des Falles

Im September 2021, kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, besuchte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel die betroffene Region. Ein Mann aus Kaiserslautern, der sich über das Auftreten der Politikerin in der Krisenregion ärgerte, veröffentlichte daraufhin einen beleidigenden Kommentar auf seinem öffentlichen Facebook-Profil. Der Beitrag war auf einem braunen Hintergrund mit weißer Schrift gestaltet und wurde von abwertenden Emojis begleitet. Der Mann betrieb sein Facebook-Profil unter einem Pseudonym und sein Post erhielt zwei „Gefällt mir“-Angaben. Der Angeklagte gab an, dass er sich über das Auftreten der Politiker im Ahrtal geärgert habe, da er dies als Verhöhnung der Betroffenen empfand. Zudem war er der Meinung, dass die Verantwortlichen in der Krise versagt hätten.

Das Amtsgericht (AG) Kaiserslautern verurteilte den Mann wegen Beleidigung einer Person des politischen Lebens zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50 Euro. Auf die Berufung des Angeklagten hin hob das Landgericht (LG) Kaiserslautern das Urteil auf und stellte das Verfahren ein. Das LG argumentierte, dass der Post auf dem privaten Profil des Angeklagten mit einer begrenzten Reichweite von 417 Freunden nicht geeignet sei, das öffentliche Wirken der damaligen Bundeskanzlerin erheblich zu erschweren. Zudem hatte Angela Merkel keinen Strafantrag gestellt und lediglich mitgeteilt, dass sie einer Strafverfolgung von Amts wegen nicht widerspricht.

Gerichtliche Bewertung und Konsequenzen

Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz legte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern ein und rügte die Verletzung materiellen Rechts. Das OLG Zweibrücken hob das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des LG zurück.

Das Oberlandesgericht stellte klar, dass es für die Strafbarkeit der Beleidigung einer Person des politischen Lebens gemäß § 188 Strafgesetzbuch (StGB) ausschließlich auf den Inhalt der Äußerung ankommt. Die gewählte Verbreitungsart und die Größe des Adressatenkreises seien unerheblich. Der Inhalt der Äußerung müsse lediglich abstrakt geeignet sein, das öffentliche Wirken der betroffenen Person erheblich zu erschweren. In diesem Fall handelte es sich um eine sogenannte Schmähkritik, bei der die Meinungsfreiheit hinter den Ehrschutz zurücktritt. Die in dem Post gewählte Bezeichnung der damaligen Bundeskanzlerin erfülle die Voraussetzungen einer Schmähkritik, da sie eine allein persönlich diffamierende und herabsetzende Zielrichtung habe.

Das OLG betonte, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 188 StGB durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2021 erheblich erweitert habe, um Personen des politischen Lebens besser vor Hass und Hetze im Internet zu schützen. Die Entscheidung des LG Kaiserslautern, die Reichweite des Posts und die Person des Angeklagten in die Bewertung einzubeziehen, widerspreche dem Willen des Gesetzgebers und führe zu kaum handhabbaren Abgrenzungsschwierigkeiten für den Tatrichter.

Das Urteil des LG Kaiserslautern wurde daher aufgehoben, und die Sache bedarf einer umfassenden neuen Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen des LG wurden ebenfalls aufgehoben, da der Angeklagte die ihn belastenden Feststellungen aufgrund der Einstellung des Verfahrens nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte.

Fazit

Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, die Grenzen der Meinungsfreiheit und den Schutz von Personen des politischen Lebens in sozialen Medien sorgfältig abzuwägen. Beleidigende Äußerungen, die das öffentliche Wirken von Politikern erheblich erschweren können, sind strafbar, unabhängig von der Reichweite der Veröffentlichung.

Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Strafrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

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Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 30. September 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.