Am 26. Juni 2024 entschied das Verwaltungsgericht (VG) Berlin (Az.: 37 K 11/23) einen Fall, bei dem es um die Anordnung eines Fahrtenbuchs für eine Mitarbeiterin eines Berliner Unternehmens nach einem Geschwindigkeitsverstoß mit einem firmeneigenen Fahrzeug geht. Die Klägerin wehrte sich jedoch gegen diese Maßnahme. Die Kanzlei am Südstern in Berlin informiert in diesem Artikel über den Sachverhalt und die Entscheidungsgründe des VG Berlin.
Hintergrund des Geschwindigkeitsverstoßes und Ermittlungen
Am 18. Mai 2019 wurde ein Audi Quattro, der einem Berliner Unternehmen gehört, in Berlin-Marzahn mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h (nach Abzug der Toleranz) erfasst – an einer Stelle, an der nur 50 km/h erlaubt waren. Die Polizei leitete daraufhin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein und sandte der Fahrzeughalterin, der Klägerin, einen Anhörungsbogen zu. Diese bestritt jedoch den Verstoß und verweigerte die Angabe des Fahrers.
Die Ermittlungen, die u.a. Befragungen von Unternehmensangehörigen umfassten, brachten keine Klarheit. Da der Fahrer nicht identifiziert werden konnte, wurde das Verfahren schließlich am 26. Juli 2019 eingestellt.
Am 11. Oktober 2019 erhielt die Klägerin eine Mitteilung von der Straßenverkehrsbehörde, dass eine Fahrtenbuchauflage erwogen werde, um bei künftigen Verstößen den Fahrer eindeutig zu identifizieren. Am 8. November 2019 erging der endgültige Bescheid, der die Klägerin verpflichtete, für ein Jahr ein Fahrtenbuch zu führen. Die Klägerin legte jedoch Widerspruch ein, der zurückgewiesen wurde, sodass der Fall schließlich vor Gericht landete.
Die Klägerin argumentierte, dass keine rechtsstaatlich verwertbaren Belege für den Verkehrsverstoß vorlägen und das Messverfahren fehlerhaft sei. Zudem sei das Messfoto nicht tauglich, um den Fahrer zu identifizieren. Die Klägerin legte ein Gutachten vor, das diese Punkte untermauerte.
Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zur Fahrtenbuchauflage
Das Verwaltungsgericht Berlin hob den Bescheid über die Fahrtenbuchauflage auf. Das Gericht stellte fest, dass die Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne des § 31a Abs. 1 StVZO nicht unmöglich war. Vielmehr hätten die Behörden alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen müssen, um den Fahrer zu ermitteln. Dazu gehören in der heutigen Zeit auch einfache Internetrecherchen, wie die Nutzung von Google-Bildsuchen.
Das Gericht führte aus, dass es dem Einzelrichter ohne großen Aufwand möglich war, den Geschäftsführer des Unternehmens als Fahrzeugführer zu identifizieren. Dies gelang durch eine einfache Google-Bildsuche, die Fotos des Geschäftsführers aus sozialen Netzwerken und der Unternehmenswebsite zutage förderte. Das Gericht kritisierte, dass die Polizei diese naheliegende Erkenntnisquelle nicht genutzt hatte.
Das Gericht betonte, dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage eine präventive Maßnahme zur Gefahrenabwehr sei und nicht als Bestrafung des Fahrzeughalters wegen fehlender Mitwirkung verstanden werden dürfe. Die Behörden hätten den Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz sowie die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 160 Strafprozessordnung) verletzt, indem sie keine zeitgemäßen Ermittlungsmethoden angewendet hätten.
Fazit
Zusammenfassend stärkt dieses Urteil die Rechte von Fahrzeughaltern gegen voreilige Auflagen von Fahrtenbüchern. Es zeigt, dass Behörden verpflichtet sind, alle zumutbaren Ermittlungsschritte zu unternehmen, bevor sie präventive Maßnahmen ergreifen. Wenn auch Sie einmal eine Fahrtenbuchauflage erhalten sollten, kann dieses Urteil als Grundlage dienen, sich dagegen zu wehren. Für eine professionelle Verteidigung in Bußgeldverfahren stehen Ihnen unsere Verkehrsanwälte gerne zur Verfügung.
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Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Verwaltungsgericht Berlin vom 26.06.2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.