Am 10. Oktober 2024 entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem interessanten Fall über die Entziehung einer Fahrerlaubnis auf Probe (Az.: 3 C 3.23). Der Fall dreht sich um die Frage, ob die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Betroffene zuvor auf seine Fahrerlaubnis verzichtet hatte und nach der Neuerteilung erneut gegen Verkehrsregeln verstoßen hat. Diese Entscheidung ist besonders relevant für Fahranfänger, die sich in der Probezeit befinden und bereits mehrfach gegen Verkehrsregeln verstoßen haben.
Verlauf und Details des Falls
Der Kläger, ein junger Mann, erhielt im Juli 2014 erstmals die Fahrerlaubnis der Klasse B. Kurz darauf geriet er bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle in Schwierigkeiten, da festgestellt wurde, dass er Cannabis konsumiert hatte. Infolgedessen forderte die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) zur Überprüfung seiner Fahreignung an. Da das Gutachten negativ ausfiel und ihn als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen einstufte, entschied sich der Kläger im April 2015, freiwillig auf seine Fahrerlaubnis zu verzichten, um einer behördlichen Entziehung zuvorzukommen.
Nach mehreren Jahren und einem erfolgreichen MPU-Gutachten erhielt der Kläger im Juli 2020 erneut seine Fahrerlaubnis. Bereits zwei Monate später überfuhr er jedoch eine rote Ampel, die schon länger als eine Sekunde Rot zeigte. Dies stellt einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Dies führte dazu, dass die Fahrerlaubnisbehörde erneut eine MPU anordnete, gestützt auf § 2a Abs. 5 Satz 5 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Da der Kläger das geforderte Gutachten nicht fristgerecht einreichte, wurde ihm im März 2021 die Fahrerlaubnis entzogen.
Gegen diese Entscheidung legte er Widerspruch ein, der jedoch im Januar 2022 zurückgewiesen wurde. Daraufhin klagte er vor dem Verwaltungsgericht (VG) Koblenz, das ihm zunächst Recht gab. Das VG argumentierte, dass die Anordnung der MPU nicht auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG gestützt werden könne, da diese Vorschrift nur bei einer vorherigen Entziehung der Fahrerlaubnis gelte, nicht aber bei einem freiwilligen Verzicht. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz kam jedoch zu einer anderen Einschätzung und wies die Klage ab. Es befand, dass die Regelung auch auf Fälle eines Verzichts entsprechend angewendet werden könne.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte schließlich die Entscheidung des OVG Koblenz. Es entschied, dass die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch im Falle eines vorherigen Verzichts auf die Fahrerlaubnis gerechtfertigt sei, wenn der Betroffene in der neuen Probezeit erneut gegen Verkehrsregeln verstoßen hat. Das Gericht argumentierte, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Fahrerlaubnis auf Probe im Jahr 1986 und den späteren Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes verhindern wollte, dass Fahranfänger die Regelungen durch Verzicht und anschließenden Neuerwerb umgehen können.
Das Gericht stellte fest, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliege, die durch eine entsprechende Anwendung des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG geschlossen werden müsse. Diese Vorschrift sieht vor, dass nach einer Fahrerlaubnisentziehung in der neuen Probezeit bei erneuten Verstößen ein MPU-Gutachten angeordnet werden kann. Das Gericht entschied, dass dies auch für Fälle gelten müsse, in denen der Betroffene auf die Fahrerlaubnis verzichtet hat, um eine Umgehung der Probezeitregelungen zu verhindern.
Das Bundesverwaltungsgericht betonte, dass die Fahrerlaubnis auf Probe dazu dient, Fahranfängern deutlich zu machen, dass sie sich in einer Bewährungszeit befinden und sich an die Verkehrsregeln halten müssen. Die Anordnung eines MPU-Gutachtens sei daher auch im Falle eines Verzichts verhältnismäßig und gerechtfertigt, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Fazit
Zusammenfassend bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des OVG Koblenz und wies die Revision des Klägers zurück. Der Kläger muss die Kosten des Revisionsverfahrens tragen. Diese Entscheidung zeigt, dass die Regelungen zur Fahrerlaubnis auf Probe konsequent angewendet werden und ein freiwilliger Verzicht keine Möglichkeit bietet, strengere Prüfungen zu umgehen. Fahranfänger sollten sich bewusst sein, dass Verkehrsverstöße in der Probezeit ernsthafte Konsequenzen haben können, einschließlich der Anordnung eines MPU-Gutachtens und der möglichen Entziehung der Fahrerlaubnis.
Die Kanzlei am Südstern aus Berlin steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Verkehrsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
Mehr Informationen zum Verkehrsrecht erhalten Sie hier.
Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.