Testament und Demenz: Wann bleibt die Testierfähigkeit erhalten?

In einem interessanten Fall hat das Landgericht Frankenthal (Az.: 8 O 97/24) am 18. Juli 2024 entschieden, dass eine an Demenz erkrankte Person unter bestimmten Umständen weiterhin in der Lage sein kann, ein wirksames Testament zu errichten. Der Fall dreht sich um die Frage, ob eine 90-jährige Frau, die kurz vor ihrem Tod ein notarielles Testament aufgesetzt hatte, testierfähig war, obwohl bei ihr eine beginnende demenzielle Entwicklung diagnostiziert worden war.

Der Fall: Eine 90-jährige Frau und ihr neues Testament

Die Erblasserin, Frau B., starb 2023 im Alter von 90 Jahren. Sie besaß ein Anwesen in Ludwigshafen, das seit über 30 Jahren an den Sohn einer Freundin vermietet war. In einem handschriftlichen Testament aus 2018 hatte sie jedoch entfernte Verwandte zu ihren Erben bestimmt und eine Steuerberaterin als Testamentsvollstreckerin eingesetzt.

Im Januar 2023 änderte sich die Lage: Nach einem Armbruch und der Nebendiagnose einer beginnenden demenziellen Entwicklung ließ Frau B. am 3. Februar ein notarielles Testament errichten, in dem sie das Anwesen dem Mieter vermachte. Der Notar vermerkte in der Urkunde, dass Frau B. nach seiner Überzeugung unbeschränkt geschäfts- und testierfähig war.

Nach ihrem Tod im Juli 2023 beantragte der begünstigte Mieter die Umschreibung des Anwesens im Grundbuch. Der vom Amtsgericht eingesetzte Testamentsvollstrecker zweifelte jedoch an der Testierfähigkeit von Frau B. und versuchte, die Vermögensübertragung per einstweiliger Verfügung zu stoppen.

Die Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht Frankenthal lehnte den Antrag auf einstweilige Verfügung ab. Es stellte klar, dass die Beweislast für die Testierunfähigkeit beim Testamentsvollstrecker liegt – und dass die von dem Testamentsvollstrecker vorgelegten Arztberichte diesen Nachweis nicht erbringen konnten.

Das Gericht betonte, dass eine beginnende demenzielle Entwicklung die Testierfähigkeit nicht automatisch ausschließt. Vielmehr komme es auf den Schweregrad der Erkrankung und die geistige Verfassung im Moment der Testamentserrichtung an. Bei einer leichtgradigen Demenz, wie sie bei Frau B. diagnostiziert wurde, sei regelmäßig noch nicht von einer Testierunfähigkeit auszugehen. Die vorgelegten Arztberichte enthielten keine ausreichenden Befunde, die eine mittelschwere oder schwere Demenz belegen könnten.

Das Urteil wies darauf hin, dass der Notar, der das Testament beurkundet hatte, die unbeschränkte Geschäfts- und Testierfähigkeit von Frau B. bestätigt hatte. Auch die Aussage der Steuerberaterin, die nach dem Armbruch der Verstorbenen als Schreibzeugin fungierte, und die Aussage einer Nachbarin stützten die Annahme, dass Frau B. zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Februar 2023 orientiert und in der Lage war, die Tragweite ihrer Anordnungen zu verstehen.

Die einstweilige Verfügung wurde also gestoppt und der Begünstigte erhielt das Anwesen. 

Fazit

Dieser Fall verdeutlicht, dass die Diagnose einer Demenz nicht automatisch zur Testierunfähigkeit führt. Zudem wird unterstrichen, wie elementar es ist, die Umstände bei der Testamentserrichtung genau zu dokumentieren. Für Betroffene und deren Angehörige ist es wichtig, sich in solchen Fällen rechtzeitig juristischen Rat einzuholen, um Unsicherheiten und Streitigkeiten zu vermeiden.

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Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Landgericht Frankenthal vom 18. Juli 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.